Montag, 12. November 2007

Eine unbekannte Abgabe erschüttert die Unternehmen: Künstlersozialabgabe

250.000 Unternehmen wurden 2007 von der Künstlersozialkasse angeschrieben. Dieses Anschreiben enthielt die Aufforderung, alle regelmäßigen Aufträge an Künstler, Werbeagenturen, Texter und Redakteure darzulegen und Künstlersozialabgabe zu zahlen, sofern noch nicht geschehen. Viele Firmen jeglicher Größenordnung sind nun trotz regelmäßiger Betreuung durch Steuerberater, Steuerprüfer und Wirtschaftsprüfer überrascht und verärgert: Künstlersozialabgabe? Für die externe selbständige Werbeagentur?

Die Verpflichtung zur Zahlung einer Künstlersozialabgabe existiert bereits seit 1983. Die damals gegründete Künstlersozialkasse (KSK) wurde von der Bundesregierung beauftragt, Künstler einem Arbeitnehmer gleichzustellen. Letztere zahlen wie jeder Arbeitnehmer einen einkommensabhängigen 50%igen Beitragssatz für die Sozialversicherungen, die zweite Hälfte finanziert sich aus der Künstlersozialabgabe vom gewerblichen Auftraggeber (Verwerter) und Zuschüssen des Bundes.

Kurzum: Künstler sind durch Krankenkassenbeitrag und Rentenversicherung sozial abgesichert - dem Grundgedanken der Solidargemeinschaft wird Rechnung getragen. Soweit so gut.

Doch die Frage ist nun:

Was ist Kunst?

Die Liste der selbstständigen künstlerischen Tätigkeiten, auf die Künstlersozialabgabe zu zahlen ist, wurde im Laufe der Zeit länger: So klagte vor 1 1/2 Jahren der erste Webdesigner den Anspruch auf Mitgliedschaft in der KSK ein.
Zum derzeitigen Stand sind alle Tätigkeiten von Werbeagenturen, Textern, Webdesignern, ... für die Auftrag erteilenden Firmen, Institutionen oder Vereine sozialabgabepflichtig. Dabei spielt es keine Rolle, ob der "Künstler" Mitglied oder Leistungsempfänger der KSK ist. Die Abgabe bezieht sich ausschließlich auf die Inanspruchnahme der Art der Leistung.

Zum besseren Verständnis sollte der Name also besser Kunstabgabe lauten...

Warum wird plötzlich publiziert?

Im März 2007 trat eine neue gesetzliche Regelung in Kraft, die die Überprüfung der Künstlersozialabgaben aus dem bisherigen Verantwortungsbereich der Künstlersozialkasse in die Hände der Prüfer der gesetzlichen Rentenversicherungsträger legte. Unbeeindruckt von der mangelhaften Informationspolitik des Gesetzgebers und der Künstlersozialkasse in der Vergangenheit werden nun Nachzahlungen für die letzten 5 Jahre geltend gemacht und sogar Bußgelder verhängt.

Welche Auswirkungen hat diese Abgabepflicht, die viele in Unkenntnis überrascht?

1. Auftraggeber (Verwerter)

  • sind rückwirkend für 5 Jahre sozialabgabepflichtig
  • sind sozialabgabepflichtig, auch wenn der selbstständige Auftragnehmer gar nicht in der KSK versichert ist (Es gilt die Inanspruchnahme der Art der Leistungen)
  • sind verpflichtet, einen gesonderten Nachweis über die Rechnungen zu führen
  • haben Sozialabgaben ohne Aufforderung zu leisten, ansonsten drohen Bußgelder.

Auf alle aufgeführten Leistungen müssen die Auftraggeber bei mehrmaliger Inanspruchnahme im Jahr (dazu zählt auch die Aktualisierung einer Internetseite) von sich aus - also ohne Aufforderung - eine Künstlersozialabgabe von derzeit 5,1 % auf den Gesamt-Netto-Rechnungsbetrag abführen. Es ist dabei unerheblich, ob sich auch nicht-künstlerische Leistungen wie beispielsweise Materialkosten auf der Rechnung befinden.

Als Verwerter zählen: Firmen, Unternehmen, Handwerker, Vereine, öffentlich-rechtliche oder gemeinnützige Einrichtungen.

2. "Künstler"

  • Alle in der Liste der KSK aufgeführten "Künstler" sind pflichtversichert. Das überrascht viele selbstständige Freiberufler, denn auch hier ist die Künstlersozialkasse oftmals kein Begriff.
  • Wer noch nicht Mitglied der Pflichtversicherung ist, hat keinen Anspruch auf rückwärtige Leistungen, ist im Gegenzug rückwirkend aber auch nicht beitragspflichtig.
  • "Künstler" müssen rückwirkend für die letzten 5 Jahre Sozialabgaben an die KSK zahlen, sofern sie Leistungen von Kollegen in Anspruch genommen haben. Eine Zusammenarbeit ist in der Werbebranche vielfach üblich und in solchen Fällen kommt es sogar zu einer Doppelbeitragszahlung an die KSK. Beispiel: Eine Werbeagentur beauftragt für die Broschüre eines Auftraggebers einen externen Fotografen für die Fotoarbeiten. Für die Leistungen des Fotografen sind von der Werbeagentur Sozialabgaben an die KSK zu zahlen. Die Werbeagentur stellt dem Auftraggeber nun die eigenen erbrachten Leistungen inkl. der Fotoarbeiten in Rechnung. Der Auftraggeber zahlt darauf Künstlersozialabgabe - also ein weiteres Mal auch für die Fotoarbeiten.

Freude mag sich bei Grafikern, Webgestaltern, Fotografen oder Textern über das schmeichelhafte Attribut "künstlerisch" also nicht einstellen.

Auswirkungen

Dem Stand der selbstständigen Freiberufler und Personengesellschaften wird ein schwerer Schlag versetzt, denn die Kunden sind verärgert. Bei dem ungewöhnlichen Verwaltungsprocedere entsteht der erste Eindruck, der Kunde müsse zur Sozialversicherung der beauftragten Firma beitragen.
Und auch der zweite Eindruck hilft den beauftragten Agenturen, Grafikern, Webdesignern, usw., nicht viel weiter: Auch wenn sie selbst gar keine Leistungsempfänger der KSK sind, so steht zumindest die Art ihrer Arbeitsleistung für den Kunden im Mittelpunkt des Ärgernisses.

Die Freiberufler befürchten zu Recht ein Abwandern der Kunden zu juristischen Personen (GmbH, AG), die für den Kunden der einzige Weg zur Vermeidung der Künstlersozialabgabepflicht sind. Wie auch immer sie auf diese Lage reagieren werden: Es bleibt immer der bittere Geschmack, dem unersättlichen Moloch Staat ausgeliefert zu sein.


Fazit:

Viel Ärger durch die mangelhafte Informationspolitik des Gesetzgebers und das ungewöhnliche Handling des Verwaltungsprozesses.
Es hat sich ein guter Grundgedanke zu einer unverständlichen Gesetzeslage verselbständigt, die einmal mehr zur Politikverdrossenheit führt.

Weitere Informationen/Links:
Künstlersozialkasse
Rückblick Künstlerzozialkasse
Akademie.de
Deutscher Industrie- und Handelskammertag

Forum betroffener Künstler:
KSK-Forum

Definitionen für "künstlerische Leistungen" ufern zugunsten des Staates aus:
RTL muss für Dieter Bohlen Künstlersozialabgabe nachzahlen

Bei aller Ernsthaftigkeit des Themas eine persönliche Abschlussbemerkung:

Ist Ihnen aufgefallen, wie kreativ und äußerst phantasievoll deutsche Politiker die Abgaben- und Steuergesetze gestalten? Oje - sage ich nur! Da bleibt uns Bürgern nur die Hoffnung, dass die Künstlersozialkasse diese Kreativität niemals bemerkt! Sonst ist zu befürchten, dass irgendwann ca. 1,78963% des Bruttogehaltes unselbstständig tätiger Arbeitnehmer und des Jahresüberschusses von juristischen Personen, die mit dem Zwecke der Erwirtschaftung von Gewinnen tätig sind, unter Abzug außerordentlicher Aufwendungen für Werbungskosten, die dem eigentlichen Zweck der Eigendarstellung der Person, des selbständigen freiberuflichen Unternehmens oder den Aufwendungen für die Eigenwerbung von juristischen Personen oder Personen des öffentlichen Rechtes dienen, für die künstlerischen Leistungen der Politiker zum Abzug gebracht werden...

Wäre das nicht einmal ein Thema für den hochgeschätzten Horst Scheibner??